Wichtiger Baustein zur Prävention und zum Kinderschutz
"Lügde", "Bergisch-Gladbach", "Münster". Die unter den Ortsnamen bekannt gewordenen Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs haben schonungslos offenbart, dass die Anstrengungen zur Bekämpfung und Prävention verstärkt werden müssen. Ein wichtiger Baustein ist die vom Land NRW und den Jugendämtern des Kreises Borken sowie der Städte Ahaus und Gronau finanziell geförderte spezialisierte Beratung bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.
Beim Caritasverband Ahaus-Vreden leistet seit dem 1. Februar dieses Jahres Sarah Huwe diese Beratungsarbeit und unterstützt Betroffene. Die spezialisierte Beratung bietet umfassende Hilfestellung bei der Präventionsarbeit, indem sie zum Beispiel über Täterstrategien aufklärt und Kinder und Jugendliche in ihrem Selbstbewusstsein stärkt. Daneben berät sie Betroffene in konkreten Fällen und unterstützt auch bei der Krisenintervention.
Für diese ambitionierte Tätigkeit hat der Caritasverband Ahaus-Vreden Sarah Huwe gewinnen können. Die 28 Jahre alte Sozialpädagogin aus Bocholt arbeitete nach ihrem Studium in der stationären Jugendhilfe. Sie erwarb eine sexualpädagogische Zusatzqualifikation und schloss die Weiterbildung "Traumapädagogik & Traumazentrierte Fachberatung (DeGPT/FVTP) /Traumazentrierte Psychosoziale Arbeit (GPTG)" ab. Für Sarah Huwe kristallisierte sich im Laufe ihrer Arbeit in der Jugendhilfe heraus, dass sie im Beruf gerne beides vereinen würde: Traumaberatung und Sexualpädagogik. "Deshalb hat mich diese Stelle beim Caritasverband Ahaus-Vreden sehr angesprochen."
Sarah Huwe berät betroffene Kinder und Jugendliche, Familien und Helfersysteme wie Fachkräfte und Schulsozialarbeitende.
Sarah Huwe berät betroffene Kinder und Jugendliche, Familien und Helfersysteme wie Fachkräfte und Schulsozialarbeitende. "Dabei kann es sich um die klassische Beratung handeln, mit Blick auf den Umgang miteinander." Bei Kindern und Jugendlichen gehe es aber vor allem darum, sie erst einmal zu stabilisieren und eine Beziehung aufzubauen. "Langfristig geht es natürlich um die Frage, ob ein mögliches Trauma bearbeitet werden kann." Der Fokus liegt auf den Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen.
Sexualisierte Gewalt - "das ist ein sehr weites Feld", erklärt Sarah Huwe. Auch wenn man mit diesem Begriff vor allem den sexuellen Missbrauch verbinde. Sarah Huwe nennt Beispiele von Betroffenen: "Mal werden mir über soziale Medien Fotos mit sexuellem Inhalt geschickt, die ich nicht haben möchte. Mal werde ich gezwungen, Nacktfotos von mir an andere zu schicken, was ich gar nicht möchte. Mal werden mir solche Fotos gezeigt, die ich nicht sehen will." All das seien ebenfalls Fälle sexualisierter Gewalt. "Alles, wo meine persönliche Grenze im Bereich der Sexualität überschritten wird", fasst Sarah Huwe den Begriff zusammen.
"So etwas kommt doch nur in bestimmten Milieus vor. Und hier auf dem Land ganz sicher nicht." Wenn Sarah Huwe solche Aussagen hört, kann sie nur den Kopf schütteln. "Das ist ganz sicher ein Trugschluss." Sexualisierte Gewalt passiere milieuübergreifend, über alle Schichten hinweg, in allen Orten. "Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir in einer sicheren, vertrauten und schönen Umgebung sind, in der solche Dinge keinen Platz haben. Ganz im Gegenteil. Sexualisierte Gewalt passiert häufig im familiären Kontext, im engeren familiären Umfeld."
Der Gedanke daran sei für viele erschreckend, "weil er einen hinterfragen lässt: Wie sicher ist mein Umfeld für mein Kind?" Laut der Einschätzung des Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauchs sei es so, dass im Schnitt in jeder Schulklasse mindestens ein bis zwei betroffene Kinder oder Jugendliche sitzen würden.
Das bislang jüngste Kind in Sarah Huwes Beratung war sechs Jahre alt, der älteste Jugendliche 17. Sexualisierte Gewalt betreffe gleichermaßen Mädchen wie Jungen, weshalb das Beratungsangebot unabhängig von der geschlechtlichen Identität genutzt werden kann. Mal melden sich Eltern in Akutsituationen, "die Kenntnis haben, dass ihrem Kind etwas passiert ist". Mal melden sich Verwandte, die zum betroffenen Kind einen guten Draht haben. Die Taten reichen von durch Mitschüler erzwungene Nacktbilder bis hin zur Vergewaltigung durch ein Familienmitglied.
Sarah Huwe versucht, den Betroffenen einen sicheren Rahmen zu geben, Verlässlichkeit. Es gehe darum, an der "Ich-Stärkung" zu arbeiten und Ressourcen zu sehen. Die Sozialpädagogin arbeitet mit einer differenten Methodenvielfalt, die es ihr ermöglicht, auf unterschiedliche Art und Weise Informationen zu sammeln, die für die weitere Beratung von Bedeutung sind. Sarah Huwe ist nicht nur Ansprechpartnerin für Betroffene aus dem Altkreis Ahaus und deren Umfeld. Ihr kostenloses Beratungsangebot kann neben Einzelpersonen (wie z.B. Betroffenen, Angehörigen) auch von Kinderärzten, Kindertagesstätten, Einrichtungen der Jugendhilfe und Schulen in Anspruch genommen werden, auch in Form von Workshops sowie als Präventionsangebot.
"Wir freuen uns, mit der Spezialisierten Beratung bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche einen wichtigen, neuen, niedrigschwelligen Baustein im bestehenden Hilfesystem anbieten zu können", sagt Peter Schwack, Vorstand für das Ressort Soziale Dienste beim Caritasverband Ahaus-Vreden. "So können wir Betroffenen und deren Umfeld sowie Fachkräften aus Institutionen wie Kita, Schule oder Jugendhilfe Unterstützung bieten und ein wichtiger Ansprechpartner sein." Mit diesem Angebot leiste der Caritasverband Ahaus-Vreden einen wichtigen Beitrag zur Prävention und zum Kinderschutz, "denn die Dunkelziffer in dieser Thematik ist weit größer als bestätigte Zahlen".
Kontakt: Sozialpädagogin Sarah Huwe ist unter Tel. 0171/9755085 zu erreichen, per Mail an: s.huwe@caritas-ahaus-vreden.de. Sprechzeiten mit ihr können auch über die Beratungsstelle im Haus der Beratung in Ahaus (Wüllener Straße 80, Tel. 02561/42910) sowie über die Beratungsstelle in Gronau-Epe (Friedrichstraße 13, Tel. 02565/2424) vereinbart werden.