"Da wird der Verkehrte verhauen"
Verweigert die Caritas eine bessere Bezahlung von Pflegekräften? "Ganz und gar nicht", antwortet Hans-Peter Merzbach, Vorsitzender des Vorstandes des Caritasverbandes Ahaus-Vreden, auf diese Frage. Doch seit die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas Ende Februar die Einführung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages für die Altenpflege ablehnte, steht der Wohlfahrtsverband bundesweit in der Kritik.
Hans-Peter Merzbach, Vorsitzender des Vorstandes des Caritasverbandes Ahaus-Vreden
Der Vorwurf: Die Caritas wehre sich gegen eine bessere Bezahlung in der Pflege. "Das tun wir nicht", sagt Hans-Peter Merzbach. "Wir zahlen ja schon sehr gut. Da wird der Verkehrte verhauen."
Arbeitsrechtliche Kommission
Doch wie konnte in der Gesellschaft jetzt überhaupt der Eindruck entstehen, die Caritas würde sich gegen eine Besserstellung von Löhnen und Gehältern in der Pflege wehren? Die 62-köpfige Arbeitsrechtliche Kommission - paritätisch besetzt mit 31 Mitgliedern der Dienstgeber- und 31 Mitgliedern der Dienstnehmerseite - lehnte einen ver.di-Tarif ab, der einen Mindestlohn und nur wenige Minimal-Standards in der Bezahlung enthalten hätte. Hans-Peter Merzbach verdeutlicht: "Es fehlte darin zum Beispiel die betriebliche Altersvorsorge, es fehlten Zulagen und es sollte für die Beschäftigten weniger Urlaub geben."
Blick auf die Kostenträger
In diesen und weiteren Punkten sei der von ver.di und dem Arbeitgeberverband BVAP vorgelegte Tarifvertrag wesentlich schlechter als das Tarifwerk der Caritas (AVR). "Unser Ziel muss es doch sein, für unsere Mitarbeiter den guten Vergütungsstand, den wir heute haben, dauerhaft zu sichern", erklärt der Caritas-Vorstand. Denn: Es gibt die Sorge, dass das hohe Lohnniveau der Caritas-AVR für die 170.000 Caritas-Beschäftigten in der Altenpflege durch den ver.di-Tarifvertrag mittelfristig gefährdet wäre. Die Befürchtung: In Zeiten knapper Kassen könnte ein allgemeinverbindlicher Minimaltarif zum Maß der Refinanzierung der Kosten werden. "Wenn die Kostenträger es sich aussuchen können, dann refinanzieren sie vermutlich den Tarifvertrag, der für sie am günstigsten ist", erklärt Hans-Peter Merzbach.
Vergütung deutlich über dem Durchschnitt
Die Unterschiede sind groß. "Die Caritas vergütet seit langen Jahren deutlich über dem Durchschnitt im Bereich Altenpflege", sagt Hans-Peter Merzbach. Der allgemeinverbindliche Tarifvertrag hätte weit unter den Konditionen der Caritas gelegen. Der Vorstand des Caritasverbandes Ahaus-Vreden kann darum den Protest gegen die Caritas allgemein nicht nachvollziehen. "Der Protest müsste sich doch eigentlich gegen diejenigen Arbeitgeber richten, die weit unter dem Tarif der Caritas bezahlen."
Deshalb unterstützt der Caritasverband Ahaus-Vreden auch die Forderung, dass in Deutschland alle Pflegenden auf Caritas-Niveau vergütet werden - inklusive Zulagen, Zuschlägen und betrieblicher Altersvorsorge. Hans-Peter Merzbach hält eine Tarifbindung für notwendig. Nur Anbieter, die Flächentarifverträge vorweisen, sollten am Markt zugelassen werden. Diese Forderung stelle die Caritas schon seit gut zehn Jahren.
Gesetzentwurf: "Ortsübliche Bezahlung" geplant
Hans-Peter Merzbach appelliert an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, keine Kompromisse zu machen. Doch ein neuer Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium zementiert die schlechte Bezahlung in der Altenpflege. Geplant ist, eine "ortsübliche Bezahlung" der Pflegekräfte zukünftig zuzulassen. Zudem sollen Pflegekassen in Ausnahmefällen auch weiterhin Versorgungsverträge mit Pflegeheimen schließen dürften, die keine Tariflöhne zahlen. "Eine ortsübliche Bezahlung ist viel zu unbestimmt", kritisiert Hans-Peter Merzbach den Gesetzentwurf. Die Bezahlung liege nicht nur unter dem Tarifgefüge der Caritas, sondern mache eine Entlohnung auch abhängig davon, in welchem Gebiet der Mitarbeiter tätig sei. Letztlich sei zu befürchten, das tarifgebundene Träger in einem Einzugsgebiet mit vielen nicht tarifgebundenen Anbietern deutlich schlechter gestellt würden.
"Caritas ist der falsche Ansprechpartner"
Die politische Online-Aktivistenplattform Campact fordert die Caritas in einem Appell dazu auf, das Votum der Arbeitsrechtlichen Kommission zurückzunehmen. Campact macht die Caritas in einer am 17. März gestarteten Kampagne zum alleinigen Sündenbock für die Verfehlungen von geringer Vergütung und schlechten Arbeitsbedingungen bei den nicht tarifgebundenen Anbietern. Hans-Peter Merzbach nimmt die Campact-Kritik an der Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission zum Anlass, näher auf die Bedeutung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages einzugehen. "Sozialpolitisch wäre es gut, so schnell wie möglich zu einem höheren Einkommensgefüge im Bereich der Pflege zu kommen, auch bei anderen Anbietern und im Markt insgesamt."
Aus diesem Blickwinkel kann der Caritas-Vorstand die öffentliche Diskussion nachvollziehen. "Aber diese Diskussion müsste doch mit denen geführt werden, die ihren Mitarbeitern aktuell deutlich zu wenig bezahlen. Da ist die Caritas der falsche Ansprechpartner." Der Unmut über schlechte Arbeitsbedingungen in der Altenpflege, wie ihn Campact erzeugen wolle, müsse doch in erster Linie dort landen, wo er verursacht werde: bei Arbeitgebern ohne Tarifbindung
Die arbeitsrechtliche Kommission hat mit Blick auf die bei der Caritas beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die richtige Entscheidung getroffen, sagt Hans-Peter Merzbach. "Wenn wir auf Dauer unsere Vergütungsstrukturen halten wollen, kann die Caritas dem vorgelegten Vorschlag des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages nicht zustimmen."