„gesaPflege“: Abschluss des Gemeinschaftsprojekts von Caritasverband Ahaus-Vreden und den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und ihrer Verbände in NRW:Arbeitsklima und Pflegequalität im Blick

Wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf und den Ergebnissen des Projektes?
Dransfeld: Wir haben festgestellt, dass insbesondere in den größeren Einrichtungen, wie zum Beispiel im Henricus-Stift in Südlohn, das Projekt sehr gut gelaufen ist. Dort gab es genügend Ressourcen, um das Projekt zu begleiten, und es war einfacher, Mitarbeitende aus dem Arbeitsalltag herauszunehmen, damit sie an den verschiedenen Angeboten teilnehmen und aktiv am Prozess mitwirken konnten. In größeren Einrichtungen hat man mehr Mitarbeitende, die das Projekt begleiten können. In den kleineren Einrichtungen ist die Anzahl der Mitarbeitenden geringer, was es herausfordernder macht, zusätzliche Ressourcen für das Projekt zu mobilisieren. Um diesem Dilemma zu entgehen, haben wir dort das Projekt noch individueller auf die Bedarfe der Einrichtung angepasst: Wir haben zum Beispiel kürzere Maßnahmen angeboten, die dafür mehrfach stattgefunden haben. So konnten wir sicherstellen, dass möglichst viele Mitarbeitende davon profitieren und die Versorgung der Bewohnenden trotzdem weiterhin gesichert ist. So konnten auch die kleineren Einrichtungen Erfolge erzielen.
Ein wichtiger Aspekt war die Nachhaltigkeit des Projektes. In allen vier Einrichtungen haben wir eine Person benannt, die im Nachgang weiterhin als Ansprechpartnerin fungiert und mit Sarah Noldes (Betriebliche Gesundheitsförderung) in Kontakt bleibt. Diese Person wird auch künftig die Einrichtung unterstützen und als Sprachrohr für die Mitarbeiterschaft fungieren, um auf Bedarfe im Rahmen der Gesundheitsförderung hinzuweisen. Uns war es wichtig zu betonen, dass wir in den anderthalb Jahren des Projektes vor allem darauf abgezielt haben, die Mitarbeitenden zu befähigen, Gesundheitsförderung eigenständig umzusetzen, die Kommunikation intern wie extern zu verbessern und am Ende die Verantwortung selbst zu übernehmen – natürlich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Wie war die Beteiligung der Mitarbeitenden und was waren Themen, die Sie bearbeitet haben?
Wir haben versucht, möglichst viele Mitarbeitende zu beteiligen, zum Beispiel durch sogenannte Analyse-Workshops. Dabei haben wir mit den Mitarbeitenden in einer festgelegten Zeitspanne – etwa zwei Stunden – nach einem vorgegebenen Schema die Belastungen erfasst und gefragt, welche Lösungen sich die Mitarbeitenden vorstellen können, um diese Belastungen zu reduzieren. So sind die Beschäftigten von Beginn an Teil der Lösung. Die Erfahrung zeigt, dass Veränderungen dadurch besser akzeptiert werden. Dieser Prozessschritt war sehr spannend, weil wir in den Einrichtungen unterschiedliche Schwerpunkte und Bedürfnisse erhoben haben.
Ein Beispiel dafür war das Thema Stress, zu dem wir Schulungen zur Selbstreflektion und Austausch angeboten haben. Ein weiteres wichtiges Thema, das benannt wurde, war der Umgang mit Tod und Sterben. Obwohl uns bewusst war, dass Pflegekräfte in diesem Bereich oft belastet sind, war uns nicht klar, wie relevant dieser Aspekt wirklich in den Einrichtungen ist. Die Mitarbeitenden wünschten sich Unterstützung von außen, um gemeinsam zu reflektieren, wie sie mit den täglichen Belastungen rund um Leid und Tod besser umgehen können. Die Schulung zu diesem wichtigen Thema wurde besonders gut angenommen. Viele Mitarbeitende haben uns zurückgemeldet, dass sie solche Angebote gerne regelmäßig besuchen würden. Es wurde sogar angeregt, dass der Verband dieses Thema auch langfristig weiter anbieten sollte, weil der Bedarf, sich auszutauschen und Erfahrungen zu teilen, immer wieder vorhanden sein wird und der Austausch hilft, den Stress zu reduzieren.
Wie wurde das Projekt von den Mitarbeitenden aufgenommen?
Was die Motivation für das Projekt betrifft, waren die Reaktionen der Beschäftigten ganz unterschiedlich. Es gab Mitarbeitende, die das Thema Gesundheit sehr wichtig finden, weil sie selbst bereits eine Vorstellung davon haben, was Gesundheit für sie bedeutet und wie der Arbeitgeber sie unterstützen kann, um gesund und arbeitsfähig zu bleiben. Diese Mitarbeitenden fanden es gut, dass endlich mehr in diese Richtung unternommen wurde. Auf der anderen Seite gab es auch Mitarbeitende, die eher zurückhaltend waren, vor allem diejenigen, die sich mit dem Thema „Betriebliche Gesundheitsförderung“ bislang nicht beschäftigt hatten oder es für weniger wichtig erachten. Es war daher nicht immer einfach, alle Mitarbeitenden dafür zu gewinnen, aktiv teilzunehmen. Aber das ist auch in Ordnung – der Anspruch kann nie sein, jeden einzelnen Mitarbeitenden zu erreichen, sondern die zu unterstützen, die offen dafür sind.
Gibt es Bereiche in den Einrichtungen, bei denen Sie der Meinung sind, dass dringend etwas getan werden muss?
Ein generelles Thema, das immer wieder aufkommt, ist die Kommunikation. Es wird oft gesagt: „Kommunikation kann ich“, aber in der Praxis gibt es immer wieder Stolpersteine. Zum Beispiel dort, wo Führungskräfte in der Verantwortung stehen, Informationen zu streuen, gibt es oft Unsicherheiten. Es stellt sich die Frage: Was ist für die Mitarbeitenden wichtig und was eher nicht? Manchmal gibt es auch Informationen, die bewusst nicht kommuniziert werden, aber von den Mitarbeitenden erwartet werden, weil sie diese als wichtig einschätzen. Es gilt, genau zu klären, welche Informationen für wen wichtig sind und wie man diese effektiv vermitteln kann. Es gibt unterschiedliche Kanäle – der eine braucht eine mündliche Ansprache, der andere eine schriftliche Information oder digitale Kommunikation. Da muss man darauf achten, wie Informationen über verschiedene Kanäle am besten fließen können.
Besonders herausfordernd wird es, wenn es um Schnittstellen zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen geht. Wenn Informationen vom einen Bereich zum anderen übergehen müssen, stellt man oft fest, dass jeder Bereich isoliert arbeitet und nicht immer an das große Ganze denkt. So weiß die Pflege vielleicht nicht, was die Hauswirtschaft braucht oder umgekehrt. Unser Projekt kann dabei unterstützen, besser zu verstehen, was sich die Mitarbeitenden wünschen und was von der Führungsebene erwartet wird. Oft gibt es auch Missverständnisse bei den gegenseitigen Erwartungen, die nicht immer in Einklang stehen.
Diese Herausforderungen lassen sich nicht von heute auf morgen lösen – sie benötigen Zeit. Selbst anderthalb Jahre ist eine relativ kurze Zeit für echte Veränderungen. Wie bereits gesagt, sollte das Ziel nicht sein, jeden Einzelnen zu erreichen, da das schwer umzusetzen ist. Aber man sollte gezielt in den Dialog treten und überlegen, wie man viele Mitarbeitende niedrigschwellig erreicht. Es ist wichtig, Zeit für eine gute Kommunikation zu investieren. Mündliche Kommunikation kommt oft gut an, aber man kann natürlich nicht jeden Mitarbeitenden einzeln ansprechen. Auch Teambesprechungen sind eine Möglichkeit, aber auch hier gibt es oft Protokolle, die nicht gelesen werden. Hier gibt es die „Bring- und Holschuld“ – sowohl von Seiten der Führung, die Informationen bereitstellen muss, als auch von den Mitarbeitenden, die sich die Informationen aktiv holen müssen.
Was haben Sie in den Einrichtungen für die Gesundheit der Bewohner unternommen?
Ein konkretes Beispiel ist ein Workshop, den wir mit externen Experten zusammen durchgeführt haben. Ziel war es, gemeinsam mit den Mitarbeitenden zu prüfen, wie der Betreuungsplan aussieht und ob er in Sachen Gesundheitsförderung noch optimiert werden kann. Wir haben uns gefragt, ob alle wichtigen Bereiche abgedeckt sind, wie Bewegung, Gedächtnisförderung und gesunde Ernährung. In diesem Workshop haben wir auch überlegt, ob es spezielle Angebote gibt, die noch fehlen könnten. Zum Beispiel haben wir festgestellt, dass es oft nur wenige Angebote für ältere Männer gibt, während Frauen bei kreativen Angeboten stärker vertreten sind. Daher haben wir überlegt, wie wir ein kreatives Angebot speziell für die Männer gestalten können.
Ein weiteres Highlight war das Thema „Märchen erzählen“, das wir in einer Einrichtung umgesetzt haben. Dabei ging es darum, die Bewohner, insbesondere Menschen mit Demenz, durch biografisches Erzählen zu aktivieren und ihre Erinnerungen zu wecken. Diese Form der Aktivierung wird oft in Einrichtungen vernachlässigt, obwohl sie einen großen Mehrwert für die Bewohner hat.
Zusätzlich haben wir das Konzept eines „Tanzcafés“ eingeführt, bei dem wir mit den Mitarbeitenden besprochen haben, wie man Bewegung und Tanz in den Alltag integrieren kann, auch wenn viele Bewohner im Rollstuhl sitzen oder einen Rollator benutzen. Hier ging es darum, kreative Möglichkeiten zu finden, auch mit einfachen Bewegungen und im Sitzen den Körper zu aktivieren.
Auch bei scheinbar einfachen Aktivitäten wie Spaziergängen haben wir Schulungen angeboten. Oft wissen die Betreuungskräfte nicht, wie sie Spaziergänge aktivierender gestalten können. Wir haben darauf hingewiesen, wie man die Natur – sei es durch das Sammeln von Blättern oder das Ertasten von Steinen – besser einbinden kann, um die Sinne der Bewohner zu fördern. Diese kleinen, aber wirkungsvollen Anstöße haben dazu beigetragen, den Alltag für die Bewohner abwechslungsreicher und gesünder zu gestalten.
Gab es in diesem Projekt mit unserem Caritasverband etwas, das Sie überrascht hat oder das sich von anderen Projekten abhebt?
Ein besonders schönes Beispiel war eine Workshop-Reihe unter dem Titel „Vom Problem zur Lösung“, die in drei Terminen durchgeführt wurde. Dabei haben wir mit Mitarbeitenden und Führungskräften gemeinsam an der Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit gearbeitet. Es ging darum, Schnittstellen zu identifizieren, Themen anzusprechen und konkrete Ideen zu entwickeln, wie wir die Zusammenarbeit optimieren können. Es war wirklich erfreulich zu sehen, wie engagiert die Mitarbeitenden waren und wie positiv die Rückmeldungen waren – die Termine waren gut besucht und haben das Teambuilding auf eine neue, persönliche Ebene gehoben.
Ein weiteres Thema, das mich überrascht hat, war der Austausch mit den Nachtwachen. In vielen Einrichtungen liegt der Fokus oft auf den Tagschichten, während die Nachtschichtmitarbeitenden weniger im Blick sind. Wir haben das Thema aufgegriffen und einen speziellen Austausch für die Nachtwachen organisiert. Ziel war es, den Nachtwachen eine Plattform zu bieten, um ihre spezifischen Bedürfnisse zu äußern und zu sehen, wie wir ihre Arbeit besser unterstützen können. Dieser Austausch kam sehr gut an.
Am Ende des Projekts haben wir zudem angeregt, dass auch künftig regelmäßige arbeitsbereichsübergreifende Austauschtreffen organisiert werden. Dabei ging es darum, den Dialog zwischen den Arbeitsbereichen wie Betreuung und Hauswirtschaft oder auch Pflege und Betreuung zu stärken und Verständnis füreinander aufzubauen. So kann die Zusammenarbeit nachhaltig verbessert werden.
Info: gesaPflege ist ein Gemeinschaftsprojekt der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und ihrer Verbände in Nordrhein-Westfalen. Die Umsetzung erfolgt durch Team Gesundheit GmbH. Weitere Informationen finden Sie auf www.gesaPflege.de.