Eine besondere Freundschaft im Caritas-Seniorenheim St. Ludgerus in Heek:Deutschlehrer mit 95 Jahren


Mohamed Sharif Muhye suchte gezielt nach einer sinnvollen Aufgabe, um seinen Alltag in der neuen Heimat zu strukturieren. Da sein Sprachkurs noch nicht begonnen hatte, wandte er sich an Denise Oldenkotte, Flüchtlingsbetreuerin der Gemeinde Heek. „Ich möchte einfach etwas machen und vor allem Deutsch lernen“, erklärte Muhye. In seiner Unterkunft brachte er sich mit Youtube-Videos erste Sprachkenntnisse bei, doch ihm fehlte der direkte Kontakt zu Menschen.
In Damaskus arbeitete er viele Jahre als Busfahrer, ein Beruf, bei dem er täglich mit unterschiedlichsten Menschen in Kontakt war. Nun suchte er eine neue Aufgabe und gemeinsam mit Denise Oldenkotte entstand die Idee, im Caritas-Seniorenheim St. Ludgerus nach einer regelmäßigen Gesprächs- und Unterstützungsmöglichkeit zu fragen. Einrichtungsleiter Stefan Deitmer und Marianne Thesing vom Sozialen Dienst der Einrichtung waren direkt offen für die Idee. Schnell war klar: Kurt Rüße könnte der richtige Gesprächspartner sein: offen, strukturiert, herzlich. Beim ersten Kennenlernen war die Verbindung sofort da.
Seitdem besuchen sich die beiden regelmäßig. Einmal pro Woche sitzen sich die beiden Männer gegenüber und kommen gemeinsam ins Gespräch. Mit ruhiger Stimme, deutlicher Aussprache und viel Geduld erklärt Kurt Rüße Begriffe, nutzt Fragekarten, Alltagssituationen und manchmal sogar kleine Rollenspiele. Sie sprechen übers Einkaufen, Wetter, Familie oder frühere Berufe. „Dass ich in meinen alten Tagen noch Lehrer werde, hätte ich auch nicht gedacht“, sagt Kurt Rüße schmunzelnd. Und es ist nicht irgendein Lächeln; es ist das eines Menschen, der spürt, dass er gebraucht wird.
Seitdem er Mohamed Sharif Muhye mit Hilfe von Alltagsgesprächen unterrichtet, ist er förmlich aufgeblüht. Der Einrichtungsleiter berichtet: „Früher war Herr Rüße oft mit sich selbst beschäftigt. Jetzt hat er neben seiner Tätigkeit als Bewohnerbeirat des Hauses eine weitere Aufgabe, die ihm sichtlich Freude bereitet. Er bereitet jede Stunde vor, fragt Mitbewohner und Mitarbeitende nach neuen Ideen und ist voller Elan.“
Ein besonders bewegender Ort ist die kleine Gedenkecke im Heim, dort sitzt Kurt Rüße regelmäßig, spricht in Gedanken mit seiner verstorbenen Frau und erzählt ihr liebevoll von den Begegnungen mit Muhye: „Heute kommt mein Schüler wieder. Letztes Mal haben wir über das Einkaufen gesprochen“, berichtet er ihr dann leise. Auch für Kurt Rüße selbst ist der Unterricht ein Gewinn: ein wirkungsvolles Gedächtnistraining, das ihm Tagesstruktur gibt, die Konzentration fördert und neue Impulse bringt. Für Mohamed Sharif Muhye der beste Deutschkurs, den er sich vorstellen kann. Aus einer Idee ist eine besondere Freundschaft gewachsen, zwischen zwei Männern, zwei Generationen, zwei Kulturen. Es ist ein Beispiel dafür, wie Integration gelingen kann: mit Offenheit, gegenseitigem Respekt und Menschlichkeit.