Einblicke in den Arbeitsalltag beim Caritasverband Ahaus-Vreden (VII):„Man kann einfach viel für die Menschen tun“

Frau Kisfeld, seit wann arbeiten Sie beim Caritasverband?
Gabie Kisfeld: Seit Ende 2022. Ich habe mich bewusst für eine Veränderung entschieden, da mein vorheriger Beruf mich nicht mehr erfüllt hat. Die Arbeit beim Caritasverband gibt mir die Möglichkeit, wieder mehr Zeit für die Menschen zu haben.
Wie sah Ihr beruflicher Werdegang vor Ihrer Tätigkeit beim Caritasverband aus?
Ich habe eine Ausbildung als Erzieherin gemacht, mich dann aber für eine Laufbahn in der Physiotherapie entschieden. Viele Jahre habe ich in diesem Bereich gearbeitet, sowohl im Krankenhaus als auch in Praxen, insbesondere im Ruhrgebiet. Anfangs war Physiotherapie mein Traumberuf, doch mit der Zeit nahm der bürokratische Aufwand stark zu. Immer mehr Berichte und Abrechnungen schreiben – die eigentliche Arbeit mit den Patienten rückte immer weiter in den Hintergrund. Dass der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt steht, das hat mich gestört. Das war der Punkt, an dem ich über einen beruflichen Wechsel nachgedacht habe.
Warum fiel Ihre Wahl auf die Eingliederungshilfe? Gab es eine persönliche Motivation?
Ich hatte schon immer Interesse daran, mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu arbeiten. In der Physiotherapie hatte ich viele Patientinnen und Patienten aus diesem Bereich. Die zunehmende Bürokratie und der Zeitdruck in meinem alten Beruf haben mir die Entscheidung leichter gemacht. Als ich sah, dass beim Caritasverband Ahaus-Vreden jemand für das Ambulant Betreute Wohnen (ABW) gesucht wurde, habe ich mich beworben. Heute kann ich sagen: Das war genau die richtige Entscheidung. Diese Arbeit gibt mir unglaublich viel zurück.
Würden Sie sich nochmal beim Caritasverband bewerben?
Auf jeden Fall. Also das ist absolut mein Traumberuf geworden.
Wie war Ihr Einstieg in den neuen Beruf? Gab es Herausforderungen?
Natürlich musste ich mich in viele neue Themen einarbeiten, aber ich habe sehr viel Unterstützung von meinen Kolleginnen und Kollegen erhalten. Besonders herausfordernd war es anfangs, sich in die Abläufe und die Bedürfnisse der Klienten hineinzuversetzen. Jeder Mensch ist individuell, und es braucht Zeit, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen.
Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus? Welche Aufgaben übernehmen Sie?
Wir haben vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) festgelegte Betreuungszeiten pro Woche für unsere Klienten. Diese Stunden planen wir gemeinsam mit ihnen. Oft besuche ich die Klienten zu Hause, begleite sie zu Terminen oder unterstütze sie bei alltäglichen Aufgaben wie dem Haushalt, Kochen oder Arztbesuchen. Auch Freizeitaktivitäten, wie Stadtbummel oder Ausflüge, gehören dazu. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich, da jeder Klient andere Bedürfnisse hat.
Sind Sie nur an einem Standort tätig oder viel unterwegs?
Ich betreue Klienten in verschiedenen Orten, in Legden, Ahaus und Vreden. Manche wohnen in Wohngruppen, andere alleine. Wir sind für viele verschiedene Themen zuständig, sei es Postbearbeitung, Finanzverwaltung oder die Freizeitgestaltung. Das macht die Arbeit spannend und vielseitig.
Wie gehen Sie mit emotional belastenden Situationen um?
Meistens kann ich gut abschalten. Aber es gibt Situationen, die mich auch nach der Arbeit noch beschäftigen, insbesondere, wenn Klienten schwere Schicksale erlebt haben, wie zum Beispiel sexualisierte Gewalt in der Kindheit. Da muss man lernen, eine professionelle Distanz zu wahren, um die Klienten gut unterstützen zu können, ohne sich selbst zu sehr zu belasten.
Was schätzen Sie besonders an Ihrer Arbeit?
Die Nähe zu den Klienten ist für mich das Wichtigste. Viele unserer Klienten haben nach dem Tod ihrer Eltern zum ersten Mal in ihrem Leben die Herausforderung, allein zurechtzukommen. Wir begleiten sie dabei, eine eigene Wohnung zu finden, den Alltag zu strukturieren und ihre Selbstständigkeit zu fördern. Besonders schön ist es, die Fortschritte zu sehen – wenn jemand plötzlich selbstbewusst zum Amt geht oder sich traut, neue soziale Kontakte zu knüpfen oder eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommt. Das sind Momente, da freue ich mich natürlich auch, wenn ich behilflich sein konnte.
Welche drei Wörter beschreiben Ihre Arbeit am besten?
Soziale Teilhabe, nah am Klienten und Unterstützung.
Wie ist die Zusammenarbeit im Team?
Wir sind ein tolles Team und tauschen uns regelmäßig aus. Alle zwei Wochen haben wir Teamsitzungen, aber auch zwischendurch sprechen wir uns telefonisch oder persönlich ab. Wir kümmern uns mit unserem etwa 20-köpfigen Team um über 40 Klienten.
Wie bewerten Sie die Bezahlung nach AVR-Tarif?
Ich bin zufrieden. In der Physiotherapie habe ich weniger verdient, obwohl die Arbeit dort ebenfalls anspruchsvoll ist. Beim Caritasverband fühle ich mich wertgeschätzt, nicht nur finanziell, sondern auch durch Zusatzleistungen und die Unterstützung der Vorgesetzten.
Gibt es Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung?
Ja, die gibt es. Ich habe mich beispielsweise für eine Fortbildung zum Thema Borderline-Störungen angemeldet, da ich eine Klientin mit dieser Diagnose betreue. Es gibt auch Schulungen zum Thema sexualisierte Gewalt und viele weitere, die direkt auf unsere Klienten zugeschnitten sind. Diese Weiterbildungen helfen enorm dabei, die Klienten noch besser zu unterstützen.
Warum würden Sie anderen empfehlen, sich beim Caritasverband Ahaus-Vreden in der Eingliederungshilfe zu bewerben?
Wer gerne mit Menschen mit Beeinträchtigungen arbeitet, ist hier genau richtig. Man kann viel bewirken und bekommt ebenso viel zurück. Die Arbeit ist erfüllend, vielseitig und bietet viel Raum für persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Man kann einfach viel für die Menschen tun.
Wie sind die Arbeitszeiten geregelt? Gibt es auch Dienste am Wochenende?
Die Kernarbeitszeit liegt montags bis freitags, meist am Nachmittag, da viele Klienten in Werkstätten arbeiten. Es gibt aber auch vormittags Termine. Freizeitaktivitäten finden oft am Wochenende statt, aber die Regelarbeitszeit ist unter der Woche. Insgesamt ist die Arbeit gut mit dem Privatleben vereinbar.