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"Was ich meine, wenn ich sage, ich glaube ..."

So lautet unsere Interviewserie. Diesmal stellt sich Tina Blomberg (ehemalige Mitarbeiterin im Bereich Soziale Dienste), den Fragen von Silke Uelsmann.
 
Datum:
19. Apr. 2023
Von:
Silke Uelsmann

Silke Uelsmann: „Frau Blomberg, herzlichen Dank für Ihre Teilnahme an unserer Interviewreihe. Sie haben sich im Vorfeld bereits einige Fragen herausgesucht, die für Sie interessant klingen. Da beginne ich dann gleich einmal mit der ersten. Wie würden Sie den Satzanfang „Richtig frei ist nur, wer …“ weiterführen?“
Tina Blomberg: „Richtig frei ist nur, wer nach seinen eigenen Werten und Vorstellungen leben darf beziehungsweise kann. Viele Werte in der Gesellschaft entstammen von den Gelehrten aus der christlichen Kirche und haben diese meiner Meinung nach maßgeblich positiv beeinflusst.“

Silke Uelsmann: „Was gehört Ihrer Ansicht nach zu einem sinnvollen Leben?“
Tina Blomberg: „Vertrauen ins Leben zu haben. Wir gehen eine Situation ganz anders an, wenn wir volles Vertrauen ins Leben haben. Wir erschaffen unser Leben, unsere Realität selbst. Unser Selbstbild, unsere Werte und welche Position wir uns in der Welt geben, beeinflusst unser Verhalten. Ich finde, diese Denkweise macht frei und glücklich. Ich habe mal einen schönen Satz gelesen: Das Leben passiert Dir nicht, es passiert FÜR dich. Ich glaube, wenn man diesen Satz versteht, dann kann es lebensverändernd sein. Ich erlebe auch viel zu oft Momente in meinem Leben, an denen ich nicht an diesen Satz denke. Aber wenn, dann hilft er mir doch, stets zu glauben, dass alles seinen Weg und Sinn hat, dass alles gut werden wird. Ich glaube, das ist auch so etwas wie ein Glaube. Der Glaube ans Leben. Das ist womöglich für mich Gott und was er mich lehren will.“

Silke Uelsmann: „Was bedeutet für Sie, Christ zu sein?“
Tina Blomberg: „Christ sein heißt für mich, die Werte und Vorstellungen, wie Liebe oder Barmherzigkeit zu leben und Vertrauen in die Welt/ das Leben zu haben. Indem ich diese Werte auch lebe und verinnerlicht habe, gebe ich diese auch automatisch weiter. Denn die Welt ist ein von uns geschaffenes System, Menschen sind eigentlich füreinander geboren, alles geschieht wechselwirksam und bedingt sich gegenseitig. Geben wir Liebe an unseren Nächsten weiter, kommt diese auch meistens zurück.“

Silke Uelsmann: „Frau Blomberg, Sie sagen, Sie begegnen Gott eher in der Natur, als in der Kirche. Können Sie das näher erläutern?“
Tina Blomberg: „Die Kirche ist für mich eher ein Konstrukt, welches für die Menschen damals als Zufluchtsort gesehen wurde. Ich finde das auch gut, dass auch heute noch einige die Kirche so sehen und für sich nutzen können, wenn sie Unterstützung brauchen. Für mich ist das nicht mehr passend. Ich suche Zuflucht in der Natur. Falls ich zum Beispiel eine für mich emotionale Grenzerfahrung durchlebe, gehe ich raus, atme frische Luft und horche den Vögeln oder dem Rauschen der Bäume. Mich beruhigt das. In solchen Momenten denke ich auch sehr oft, wie kraftvoll die Natur eigentlich ist, wie über Jahrmillionen sie überdauert und Kriege durchlebt hat, sich aber immer wieder neu berappelt. Als hätte sie einen richtigen Überlebenssinn. Oftmals stelle ich mir dann die Frage, woher das alles stammt und dann bin ich wieder bei Gott und erlebe schon etwas Ehrfurcht.“

Silke Uelsmann: „Was fällt Ihnen zu der Aussage „Gott ist Gemeinschaft“ ein?“
Tina Blomberg: „Ich würde gerne dazusagen, dass das Leben Gemeinschaft ist. Das Leben ist zwar auch Gott, aber jeder soll sein eigenes Leben leben, was er für sich erschaffen möchte. Für mich ist Gemeinschaft meine Familie und Freunde, ohne die geht es auch nicht in meinem Leben. In früheren Jahren war der gemeinsame Glaube an einen Gott bestimmt der Teil, der eine Gemeinschaft ausgemacht hat. Jedoch ist dieses Bild in der heutigen Zeit nicht mehr so prägnant verankert. Ich kann mir vorstellen, dass das Vertrauen ein Stück weit in die Organisation „Kirche“ verloren gegangen ist. Wenn Päpste im TV aus einem Buch komplett aus Gold vorlesen und dabei über die Armut in der Welt sprechen, dann könnte das womöglich nicht authentisch wirken. 
Ich möchte die Kirche in keinem Fall denunzieren, jedoch höre ich das halt oft in Gesprächen mit anderen Mitmenschen über die Kirche. Dabei fällt auch oft der Satz: Nichts gegen den lieben Gott, aber der sollte mal sein Bodenpersonal im Auge behalten. Weiter höre ich auch oft: Ach die Kirche, die hat Geld satt, die wollen nur noch mehr und mehr, wie ein Wirtschaftsunternehmen… 
Oder: was soll man denen noch glauben, wenn die seit Jahren Missbräuche vertuschen oder nicht alle Lebensmodelle unterstützen, wie zum Beispiel. die LGBTQ-Gemeinde. Ich glaube, dass viele Menschen noch glauben, aber wahrscheinlich in den Jahren selbstbestimmter wurden und womöglich ein falsches Bild von der Kirche entwickelt haben. Schade eigentlich drum, denn das, was das Christentum in seinen Anfängen noch war und zu sagen hatte, kommt bei den Menschen heute nur noch mit vielen Abweichungen oder verfälscht an.“

Silke Uelsmann: „Vielen lieben Dank für Ihre Offenheit, Frau Blomberg. Zum Abschluss: was meinen Sie, wenn Sie sagen, Sie glauben?“
Tina Blomberg: „Was ich meine, wenn ich sage, ich glaube, ist, dass ich glaube, dass Gott uns dabei helfen möchte, dass jeder aus sich das Bestmöglichste entwickeln kann, jeder sollte das Gefühl haben, vor sich selbst bestehen zu können. Jeder Mensch ist wichtig und richtig, jeder ist genug, so wie er ist."