Mahnung folgt auf Mahnung, das Konto ist im Minus – doch wer sich Hilfe holt, kann dem Schuldenkreislauf entkommen:„Wie soll ich das alles noch bezahlen?“

„Die Nachfrage ist hoch – deutlich höher als noch vor ein, zwei Jahren“, berichtet Dawo. Die Gründe sind vielfältig: Trennung, Krankheit, der Tod eines Partners. Oft beginnt der Abstieg schleichend. Die Rechnungen bleiben liegen, das Konto rutscht ins Minus – und mit jedem Monat steigt die Angst. „Was uns wirklich Sorgen macht, ist die große Scham“, betont Dawo. „Viele trauen sich einfach nicht, um Hilfe zu bitten.“
Ein Trugschluss, der teuer werden kann. Denn wer ohne Fachwissen versucht, seine Schulden selbst zu regeln, tappt schnell in die Falle. „Es gibt Menschen, die jahrelang Raten zahlen – aus Einkommen, das eigentlich gar nicht pfändbar ist“, erklärt er. „Und trotzdem bleibt der Schuldenberg gleich hoch. Das ist wie Wasser in ein Sieb zu gießen.“
Dabei beginnt der Weg aus der Schuldenfalle ganz schlicht: „Ein Anruf oder eine E-Mail reicht. Dann schicken wir eine Liste mit den Unterlagen, die wir brauchen – schriftlich, damit nichts vergessen wird.“ Kontoauszüge, Einkommensnachweise, Gläubigerforderungen – wer sich vorbereitet, erleichtert sich selbst den Einstieg.
Gespräche auf Augenhöhe
„Die Wartezeiten sind bei uns immer noch überschaubar, weil wir sehr gut organisiert sind“, erklärt Andreas Dawo. „Wenn sich jemand meldet und von uns diese Aufstellung bekommt, was er zusammentragen soll, und sich dann wieder zurückmeldet, liegt der Zeitraum bei zwei bis vier Wochen – länger dauert es nicht.“ Das ist im Vergleich sehr kurz. Der NRW-Schnitt liegt bei rund sechs Monaten, manche Stellen haben sogar noch längere Wartezeiten.
Und dann? Dann folgt das Gespräch. Menschlich, offen, auf Augenhöhe. „Ich frage einfach: Was kann ich für Sie tun?“, erzählt Dawo. Keine Vorwürfe. Kein erhobener Zeigefinger. „Viele sind überrascht, dass wir nicht urteilen. Sie sagen dann oft: Hätte ich gewusst, wie das hier läuft – ich wäre viel früher gekommen.“
Andreas Dawo arbeitet mit einem siebenköpfigen Team – in Teilzeitstellen, aber mit vollem Einsatz. Gemeinsam kümmern sie sich um alles: „Wir übernehmen den gesamten Schriftverkehr mit den Gläubigern. Die Betroffenen müssen sich darum nicht mehr kümmern.“ Der Alltag wird ruhiger, die Schultern leichter. Und plötzlich wird das Unfassbare greifbar: ein finanzieller Neustart. Aktuell mehr als 1000 laufende Fälle haben Andreas Dawo und seine Mitarbeitenden in der Beratung – das ist viel. „Aber wir sind gut strukturiert und inzwischen auch recht digital aufgestellt. Das hilft uns, selbst diese große Zahl noch bewältigen zu können.“
Faire Chance
Ein Thema, das viele umtreibt, ist die Privatinsolvenz. Doch auch hier gilt: kein pauschaler Rat, sondern individuelle Lösungen. „Wenn eine Einigung mit den Gläubigern nicht möglich ist, kann das Insolvenzverfahren sinnvoll sein“, sagt Dawo. Dank neuer gesetzlicher Regelungen dauert es nur noch drei Jahre – früher waren es sechs. „Das ist eine faire Chance für einen Neuanfang.“ Auch wer kein Einkommen hat, kann das Verfahren durchlaufen. „Viele glauben, sie müssten arbeiten oder Geld zurückzahlen, um schuldenfrei zu werden. Das stimmt nicht“, stellt der Schuldnerberater klar. Wichtig sei nur, dass der Wille da ist, das Leben wieder in geregelte Bahnen zu lenken.
Ein weiterer Mythos: Die Angst, wegen Schulden ins Gefängnis zu kommen. „Das passiert in Deutschland nicht“, stellt Andreas Dawo klar. „Das Schlimmste, was passieren kann, ist die Abgabe einer Vermögensauskunft – und selbst die ist halb so wild.“ Viel schwerer wiegt die psychische Belastung. Schulden machen krank, das sieht Dawo täglich. „Viele Mandanten schlafen schlecht, haben Angstzustände, trauen sich kaum noch aus dem Haus. Aber nach dem ersten Gespräch sagen sie oft: Ich kann wieder atmen.“
Kein Mythos: Deutschland ist ein klassisches Antragsland: Wohngeld, Kinderzuschlag, weitere Sozialleistungen – oft reicht das schon aus, um das Finanzielle wieder ins Lot zu bringen. Andreas Dawo: „Viele wissen gar nicht, dass ihnen 200, 300 oder sogar 400 Euro im Monat zustehen könnten. Und plötzlich klappt vieles wieder, was vorher unmöglich schien.“
"Es gibt nicht den einen Schuldentyp"
Die Geschichten hinter den Schulden sind so vielfältig wie das Leben selbst. Da ist der DJ, dem nach Corona die Aufträge wegbrachen. Oder die junge Frau, die Schulden geerbt hat, ohne es zu merken. „Es gibt nicht den einen Schuldentyp“, sagt Dawo. „Aber es gibt für fast alle einen Ausweg.“ Doch wie überzeugt man Gläubiger, auf einen Teil ihres Geldes zu verzichten? „Wir arbeiten transparent“, sagt Andreas Dawo. Als anerkannte Beratungsstelle des Landes NRW muss die Caritas nachweisen, was sie angibt. „Wir legen alles offen: Einkommen, Unterhaltsverpflichtungen, Vermögen. Das schafft Vertrauen.“ Oft stimmen die Gläubiger zu. Sogar das Finanzamt oder Krankenkassen seien bereit, Vergleiche einzugehen, wenn die Lage ehrlich dargelegt werde.
Schulden sind kein Makel. Sie passieren. Und sie müssen nicht das Ende bedeuten. „Man muss nicht sofort alles lösen. Aber der erste Schritt ist, sich jemandem anzuvertrauen“, sagt Dawo. „Einfach anrufen. Einen Termin machen.“ Das Team der Schuldnerberatung des Caritasverbandes Ahaus-Vreden ist telefonisch unter 02561/429120 oder per E-Mail an schuldnerberatung@caritas-ahaus-vreden.de erreichbar.
Info: Von Montag, 2., bis Freitag, 6. Juni, findet die Aktionswoche Schuldnerberatung statt. Sie wurde initiiert von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) und steht unter dem Motto „Beste Investition Finanzbildung – Wenn aus Minus Plus wird”.