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Caritas-Vorstand Peter Schwack über den sozialen Frieden und die Arbeit der Flüchtlingshilfe in Ahaus:„Wir sind eine Solidargemeinschaft“

Das Aktionsbündnis „Ahaus bleibt bunt“ setzt immer wieder starke Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Auch der Caritasverband Ahaus-Vreden unterstützt die Veranstaltungen für Demokratie und Vielfalt. Dennoch macht sich Peter Schwack, Caritas-Vorstand für das Ressort Soziale Dienste, durchaus Sorgen um den sozialen Frieden.
Peter Schwack, Vorstand für das Ressort Soziale Dienste beim Caritasverband Ahaus-Vreden.
Datum:
8. März 2024
Von:
Christian Bödding

Zunehmend sei festzustellen, dass die Akzeptanz für die Unterbringung von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen schwinde. Mit gezielten Falschmeldungen sollen Deutsche gegen Einwanderer ausgespielt werden. „Das spiegelt sich zum Teil in Umfragen zum Wählerverhalten und dem Erstarken rechtsextremer Parteien wider“, erklärt Peter Schwack. Dann heiße es über die Geflüchteten: „Sie bekommen alles, wir müssen hart dafür arbeiten.“ Dabei sind weder Populismus, noch der Blick durch die rosarote Brille hilfreich.

Peter Schwack sieht in Ahaus in der Flüchtlingshilfe auf der einen Seite viele ehrenamtlich Engagierte und sogar eine gestiegene Zahl an Integrationslotsen. „Im Moment sind es um die 140.“ Ohne dieses ehrenamtliche Engagement könnten die Geflüchteten nicht entsprechend unterstützt werden. Auf der anderen Seite beobachtet er jedoch, dass in Teilen der Gesellschaft die positive Stimmung Geflüchteten gegenüber langsam kippt. „Im Großen betrachtet, zeigen von den Medienanstalten durchgeführte Umfragen, dass die Akzeptanz für geflüchtete Menschen deutlich gesunken ist. Im Kleinen betrachtet bekommt man mit, dass im Austausch teils Stammtischparolen vorgebracht werden, gerne auch garniert mit Halbwahrheiten.“

Sozialer Frieden

„Wenn Menschen in Not sind, bedürfen sie der Unterstützung“, sagt Peter Schwack. Diese Voraussetzung sieht er im Moment eher gefährdet. „Sozialer Frieden heißt für mich, dass wir miteinander leben können, uns gegenseitig unterstützen und eine Solidargemeinschaft sind. Genau darauf basiert unsere Demokratie.“ Sozialer Frieden, das bedeutet für Peter Schwack auch, dass man unterschiedliche Auffassungen haben kann und man gesellschaftlich darüber streitet, nach welchen Gesetzesgrundlagen welche Menschen hier leben dürfen und welche Menschen auf Dauer nicht hierblieben dürfen, weil sie die Voraussetzungen nicht erfüllen. Deutschland akzeptiere laut Grundgesetz Menschen, die aus gutem Grund geflüchtet seien. „Das wird ja zurzeit deutlich in Frage gestellt und das macht mir Sorgen.“ 

Peter Schwack weist auf deutliche Unterschiede bei der rechtlichen Behandlungsweise von Geflüchteten hin. Was unterscheide den geflüchteten Ukrainer von der afghanischen Ortskraft, die für Europa den Kopf hingehalten habe und mit Glück habe fliehen können? „Das ist aus meiner Sicht nicht in Ordnung.“ Lob gibt es vom Caritas-Vorstand für die lokale und regionale Willkommenskultur. „Die Kommunen sowie wir und die anderen Träger der freien Wohlfahrtspflege versuchen im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten alles, um eine positive Einstellung gegenüber Migranten zu fördern.“ Zuvorderst gehe es darum, die Geflüchteten in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Gleichwohl sieht Peter Schwack auch bei diesem Bemühen eine Spaltung der Gesellschaft. „Wirtschaftlich haben wir mit einer Rezession zu kämpfen. Das wirkt sich auf die Frage aus, wie gerne ich teilen kann und wo ich mich womöglich selber einschränken muss.“

Integrationslotsenprojekt

Dazu gehört, dass gesehen wird, wo Probleme entstehen und wie sie gelöst werden können. Die Flüchtlingsarbeit des Caritasverbandes Ahaus-Vreden profitiere dabei von der starken ideellen und finanziellen Unterstützung der Ahauser Stadtverwaltung und des Rates der Stadt. So sei beispielsweise das Integrationslotsenprojekt sukzessive aufgestockt worden. Peter Schwack: „Man hat mit der Zunahme der zugewiesenen Migranten gesehen, welche Probleme mitgebracht werden und welcher Aufwand nötig ist, um die Menschen zu betreuen.“

Den Caritasverband sieht Peter Schwack als wichtigen Teil des Hilfesystems in Ahaus. „Die Kooperation mit der Verwaltung ist eng und gut, das kann man gar nicht hoch genug anerkennen. Ich kenne kaum eine Kommune in der Region, die sich im Rahmen der Flüchtlingshilfe so einbringt wie Ahaus. Das hat sehr positive Auswirkungen.“ Zudem lasse der Caritasverband die in der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich Engagierten in Ahaus nicht allein mit ihren Sorgen. Im Treffpunkt Integration an der Hindenburgallee 9 und in Ahaus gibt es nicht nur unterstützende Angebote für Geflüchtete und Gastfamilien, sondern auch für Ehrenamtliche. Zusammen mit dem Haus der Integration, einer weiteren Caritas-Einrichtung, verfüge Ahaus über zwei wichtige Bausteine, um die Menschen willkommen zu heißen, ihnen Ehrenamtliche an die Seite zu stellen, sie im Alltag bei allen möglichen Fragestellungen zu unterstützen und sie durch den Behördendschungel zu führen. 

Hohe finanzielle Eigenanteile

Mit Blick auf so manche Hemmnisse würde sich Peter Schwack mehr Unterstützung von Bund und Land wünschen. „Caritative Träger müssen immer noch sehr hohe finanzielle Eigenanteile stemmen, um überhaupt eine Flüchtlingsberatung vorhalten zu können.“ Die Finanzierung dieser Aufgabe durch Landesmittel sei in keiner Weise auskömmlich. „Davon lassen sich maximal zwei Drittel der Kosten tragen.“ Ein Teil dieser Lücke würde durch Kirchensteuermittel aufgefangen, die aber in den nächsten Jahren deutlich sinken werden. 
„Die Stadt Ahaus hat erkannt, dass der soziale Frieden auch dadurch gewahrt wird, dass man die Geflüchteten unterstützt, dass man sie betreut und gleichzeitig Aktionen für Willkommenskultur ermöglicht“, erklärt Peter Schwack. Die Geflüchteten möglichst gut unterzubringen, so dass auch Konflikte minimiert werden, stelle allerdings alle Kommunen vor große Herausforderungen.

Zuletzt hat die Stadt Ahaus in einer Altbauvilla in Alstätte Platz für 60 Flüchtlinge geschaffen. Notunterkünfte in Sporthallen und Mehrfachbelegungen sind leider nicht vermeidbar, aber keine Dauerlösung. Peter Schwack verdeutlicht: „Es sind Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, mit verschiedenen Sprachen, teils durch Kriegserlebnisse schwer traumatisiert – und dann müssen sie auf engstem Raum ohne Privatsphäre leben. Das kann nicht gutgehen. Packen Sie mal 200 Deutsche für mehrere Monate in eine Turnhalle, auch das würde automatisch zu Konflikten führen.“ Gut für den sozialen Frieden wäre das sicher nicht. Geeigneten und bezahlbaren Wohnraum zu finden, sei aber äußerst schwierig. Die Wohnungsnot trifft dabei nicht nur die Stadt, die händeringend Wohnraum für geflüchtete Menschen sucht. Die Wohnungsnot trifft zum Beispiel auch Einkommensschwache und Menschen aus der Eingliederungshilfe. Peter Schwack: „Günstigen Wohnraum, den sie für 5,50 Euro je Quadratmeter vermieten können, den müssen sie erstmal finden.“ Von Neubauten ganz zu schweigen. „Bei den heutigen Baukosten ist das utopisch.“